RC-Segeln

Deutsche Klassenvereinigung und Ausschuss RC-Segeln

Erschienen in der ModellYacht Info 25/1996 Autor: Klaus Schröder
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Melbourne/Australien, Flughafen Tullamarine, 06.30 h morgens:
Nach insgesamt 22 Stunden Flugzeit stand ich am 4. Januar 1996 in der Ankunftshalle und versuchte mich in "damage controll".
Soeben hatte mir eine freundliche Dame der Qantas Airline mitgeteilt, daß ein Teil meines Reisegepäcks, leider nicht mit dem von mir benutzten Jumbo in Melbourne angekommen sei. Bei diesem Teil handelte es sich um eine 240x40x40 cm dimensionierte Box, äußerlich einer Ski-Box ähnlich, tatsächlich aber eine 800$ High-Tech-Kiste aus aluminiumbeschichteten Nomex-Waben, die meine RC-Marblehead Yacht nebst 7 Masten, diversen Segelsätzen und weitere Ausrüstungsteile im Wert von einigen tausend DM enthielt. Mit dieser Ausrüstung im Gesamtgewicht von 38 Kg war ich nach Australien geflogen, um dort vom 9. - 14. Januar an den Marblehead Worlds, der 10. Weltmeisterschaft fur RC Yachten teilzunehmen.

An diesem Morgen und nach 2 1/2 Stunden Bangen und Hoffen hatte ich allerdings leichte Zweifel, ob es dazu kommen würde. Nach diversen Telefongesprächen und intensiver Befragung des Computers der berufsmäßigen Optimismus ausstrahlenden Dame am Qantas - Schalter hatte sich nämlich herausgestellt, daß meine Box nicht versehentlich im Flugzeug verblieben und auch nicht nach Sydney weitergeflogen war. Damit erwies sich eine rasche Klärung des Verbleibs als unmöglich. Ich hinterließ meine Hotelanschrift und -telefonnummer, brachte eine zügige einstündige Zollabfertigung hinter mich (von wegen "grüner" oder "roter" Weg durch den Zoll), deren Verlauf ich schließlich durch den diskreten Einsatz meines Dienstausweises geringfügig abkürzen konnte und stürzte mich mit einem angemieteten rechtsgesteuerten Kombi von der Größe eines Flugzeugträgers in den Links - Verkehr der 3-Millionen Metropole Melbourne.

Während der darauffolgenden zwei Tage hatte ich viel Zeit, den übrigen Teilnehmern bei Ihrem Training, den Kontrollvermessungen der Boote und Rigs zuzuschauen und mir neugierige Fragen nach der Höhe meiner Versicherung anzuhören. Gleichzeitig rief ich in immer kürzeren Abständen bei Qantas an, um stets gleichbleibend freundlich unterrichtet zu werden, daß man in Frankfurt, Bangkok und Singapur leider noch keine Spur der Box gefunden habe. Der einzige Lichtblick bestand darin, daß die Veranstalter den fur mich vorgesehenen Termin fur die Vermessung des Bootes und der Rigs an das Ende der Liste gelegt und mir damit einen weiteren Tag Wartezeit ermöglicht hatten.

In der darauffolgenden Nacht erhielt ich gegen 01.00 h morgens einen Anruf von Qantas Airline mit dem Hinweis, daß meine Box im Bombenkeller des Flughafens von Singapur aufgefunden und noch in dieser Nacht mit einer Frachtmaschine nach Melbourne geflogen wurde. Später erfuhr ich, daß das in Hamburg beim Einchecken angebrachte Gepäcklabel offenbar verloren gegangen war und deshalb die Kiste beim vorgesehenen umladen in Singapur als unbegleitetes Reisegepäck eingestuft wurde. Nach den dortigen Sicherheitsbestimmungen war die Box dann routinemäßig fur 18 Stunden in einen explosionssicheren Raum gebracht und damit den Nachforschungen entzogen worden.

Der Rest der Geschichte ist schnell erzählt: Es hieß, daß die 5 Segler des französischen Teams auf die Teilnahme und Anreise verzichtet hatten, weil sie befurchteten, daß die Atombombenversuche auf Moururoa nicht nur die australische Öffentlichkeit sondern auch die Veranstalter und Schiedsrichter negativ beeinflußt haben könnten Die US-Segler blieben (wie schon vor zwei Jahren bei der letzten WM in Südafrika) in ihrer "splendid isolation", ohne daß besondere Gründe erkennbar wurden. Eine Reihe weiterer europäischer Teams, z.B. aus Spanien und den Niederlanden waren, wie auch die sonst immer teilnehmenden Segler aus Brasilien, der diesjährigen WM ferngeblieben vielleicht lag es an der von vielen Seglern kritisierten Entscheidung der IYRU-MYRD, nach USA (New York, Long Island), und Südafrika (Kapstadt) mit dem australischen Melbourne zum dritten Mal in Folge Weltmeisterschaften für die Marbleheads in Länder außerhalb Europas, wo traditionell die stärksten Flotten beheimatet sind, zu vergeben.
Andererseits gebietet es die Fairneß, festzustellen, daß das britische Team um den amtierenden Welt- und Europameister Graham Bantok auch nicht von Pappe war (Dafür spricht das Endergebnis mit 6 UK Seglern auf den ersten 10 Plätzen) Mit R. Watham aus Neuseeland, dem Finnen Lindholm und nicht zuletzt J Walicki aus Hamburg waren frühere Welt- /Europa- und Vizemeister am Start, die ebenfalls für vorderste Plätze gut waren.
Der spätere "Vize" T Klem aus Norwegen hatte es denn auch bis zum Ende der allerletzten Wettfahrt buchstäblich in der (fernsteuerungsbestückten) Hand, die Meisterschaft zu gewinnen, da er zu diesem Zeitpunkt nur 0,7 Zähler hinter Bantok lag. Das Ergebnis dieser Wettfahrt stand für das Ergebnis der Weltmeisterschaft Bantok gewann die Regatta und den WM Titel, Klem wurde Vierter und sicherte sich mit einem deutlichen Vorsprung von 29 Punkten vor dem WM-Dritten, den Titel des Vizeweltmeisters.
 
Und nun noch einige Sätze zum Austragungsgewässer und zur Durchführung, der Veranstaltung: Die Wettfahrten Wurden auf dem Albert Park Lake, einem mehrere Kilometer langen und ca. 350 m breiten künstlichen Gewässer mit nur 1,20 m Tiefe, nahe dem Stadtzentrum von Melbourne gesegelt. Dieser See bot ausreichend Platz für die Auslegung verschiedener Kurse, um auf Winddrehungen reagieren zu können. Leider hatten die Veranstalter sich mit ihrer Technik (Mikrophone, Lautsprecher, Werbung etc) auf einen bestimmten Uferabschnitt festgelegt, der ab und an im Bereich von Windabdeckung durch ca. 200 m entfernt stehende Bäume und Büsche lag.
 
Für die Unterbringung der Boote, Segel und übrigen Ausrüstung wurde ausreichend Platz im bewachten Bootshaus eines Ruderklubs zur Verfügung gestellt. Während der Wettfahrten standen die Skipper auf einer Plattform von ca 1,80 m Höhe, die einen ausreichenden Überblick über den Kurs und die zum Teil in mehr als 100 m Entfernung liegenden Bahnmarken bot. Die Windstärke und -richtung wechselte zum Teil mehrmals täglich zwischen Leichtwind und frischen bis starken Winden im Bereich von bis zu 90° Bei Starkwind gab es eine kurze und steile Welle, die zudem - vom betoneingefaßten Beckenrand zurückgeworfen - zu unangenehmen Kreuzseen führte. Die Ausrichtung der Kurse erfolgte professionell und zum Teil sehr kurzfristig als Reaktion auf Winddrehungen bis zu 40° während der Startphase Im Normalfall bestand ein Kurs aus Dreieck - Banane - Dreieck. Wegen des manchlmal während einer Wettfahrt abflauenden Windes wurde das letzte Dreieck und/oder die Banane nach Ansage während der laufenden Wettfahrt gestrichen.

Gesegelt wurde in 4 Gruppen mit jeweils 12 Booten. Dieser anfangs von der Mehrheit der Teilnehmer kritisierte "Einzelwettfahrts-Charakter" bewährte sich schließlich aus einem anderen Grunde. Die Übersichtlichkeit des Feldes und die verringerte Anzahl von möglichen Protestsituationen reduzierte die tatsächlich eingereichten Proteste in ganz unerwartet hohem Maße Während der gesamten WM waren nicht einmal ein Dutzend Proteste zu verhandeln. Die wenigen allerdings waren in jeder Hinsicht eindrucksvoll.
So protestierte GBR 9S (Bantok) wegen einer Situation im 4-Längenkreis bei Rundung der Leemarke gleich gegen eine ganze Gruppe, bestehend aus NZL 32 (Watham), GBR 22 (Roberts), NOR 47 (Klem) und GER 6 (Walicki) Die aus der full-size Yachtszene stammende Internationale Jury verfuhr so, wie sie es sicher aus der bisherigen Erfahrung gewohnt war - nämlich langsam und sorgfaltig. Getreu dem Motto: Die Regatta findet am Tage statt, die Protestverhandlung kann im Laufe des Abends in Ruhe abgewickelt werden. Das Ergebnis war dann auch eine 2 1/2- -stündige Verhandlung, die den gesamten Betrieb fur dieselbe Zeit zum Stocken brachte. Selbst den bestimmt nicht schüchternen Graham muß das nachdenklich gestimmt haben, denn er hielt sich von da an merklich zurück. Ein anderer positiver Effekt war, daß die Jury die Trauben der Wiedergutmachung so hoch gehängt hatte, daß es nach den ersten beiden abschlägig beschiedenen Wiedergutmachungsanträgen (deren Verhandlung die Jury jeweils 30- 4S Minuten beschäftigte) keine weiteren Versuche gab, Mißgeschick auf dem Wasser an Land korrigieren zu wollen.

Ähnlich wie '92 in New York herrschte eine coole Stimmung vor. Die Teams kamen morgens um 08.00 h zum Teil von weit außerhalb herbeigefahren und stiegen nach der letzten Tageswettfahrt gegen 18.00 h in ihre Autos, um wieder zurückzufahren. Kein Vergleich mit der Stimmung und dem Geschnatter nach dem Tagesspensum, wie sie in Kapstadt und letztes Jahr während der EM in Villamoura/Portugal an der Tagesordnung waren.

Abschließend noch eine Bemerkung zu den Konstruktionen und möglichen Neuerungen: Melbourne war im Gegensatz zu anderen Austragungsorten ein Schauplatz fur konventionelle Rigs. Mehr als die Hälfte der teilnehmenden Boote segelte ohne Swing-Rigs. Dies mag sich nach dem Ergebnis der diesjährigen WM in Zukunft in Australien ändern, wenn man bedenkt, daß unter den ersten 10 Plätzen nur 1 (ein) konventionelles Rig (Janusz Walicki 8 Platz) vertreten war. Technische Neuerungen oder radikal abweichende Designs tauchten mit Ausnahme von Leon Taliac's neuseeländischen "Entenflügel", einem M-Boot mit Ruder im Vorschiffsbereich, das dieser in gleicher Art aber schon 1990 während der WM in Fleetwood vorgeführt hatte, nicht auf. Der Durchschnitt in "Downunder" zeigte bei den Kielflossen mehr Länge und bei den Bleibomben weniger Gewicht.

Die als SAIL MELBOURNE '96 bezeichnete Weltmeisterschaft fur Marbleheads bleibt, unabhängig von den persönlich erfahrenen vielen Annehmlichkeiten oder auch unangenehmen Kleinigkeiten in der Erinnerung vieler Segler mit Sicherheit die Meisterschaft mit der geringsten Anzahl an Protesten (Gründe siehe oben) und nach meinem persönlichen Eindruck eine WM, an der teilgenommen zu haben jede Stunde und jede Mark (leider viele Märker) wert gewesen ist.

Ergebnisse

 

Platz  Name  Nat  Pkt. Design  Gew  Kiel  A-Rig  B-Rig  C-Rig   
 1. Graham Bantock  GBR   101,8 Paradox  4,8  3,6  K  
 2. Torvald Klem  NOR  103,5 Berlioz  5,0  3,4 S  
 3. Gordon Maguire GBR  132,8    
 4. Peter Stollery GBR  148,1 Roar Edge  5,0  3,6   
 5. Robert Wattam NZ  167,4 NZ Edition 5,5  3,7  S  
 6. Martin Roberts GBR   185,4 Starkers  4,7  3,4   
 7. Paul Jones GBR   189,8              
 8. Janusz Walicki GER   218,4 Skalpel      
 9. Mark Dennis GBR   236,4              
 10. Christian Lindholm FIN   247,4 Viper  4,3  3,25   

 

S=Swing-Rig, K=Konventionell