Herstellung der Segel
Das Segel ist bekanntlich der nicht ganz einfache Motor unserer Yacht. Bei dessen Herstellung ist also viel Sorgfalt nötig. Trotzdem ist es eigentlich gar nicht so schwer, gut geschnittene, profilierte Segel selbst herzustellen.
Alle Segel meiner Boote sind mit der „Schildkröten"-Schablone hergestellt. F. K. Ries geht darauf auch in seinem Buch „Bauvorschläge für M-Boote" ein. Was hat es damit auf sich? Ein Segel soll ja ein Profil wie eine Tragfläche aufweisen, also einen „Bauch" haben und nicht ausgebreitet wie ein Brett dastehen (siehe viele „Segel" aus Bausätzen). Dieser Bauch soll nun auch nicht irgendwo im Segel sitzen, sondern seine tiefste Stelle im Bereich der vorderen Hälfte der Segelbreite haben. Um das ordentlich zu erreichen, wird das Segel in Querbahnen aufgeteilt, bzw. geschnitten. Diese Bahnen werden dann wieder zusammengeklebt, aber nicht genau gerade, sondern die Naht ist dort. wo die tiefste Profilierung sein soll, am schmalsten, d. h., sie ist in dem Bereich deutlich auseinander gezogen. Na ja, „deutlich" ist jetzt der springende Punkt, denn es handelt sich z.T. nur um 1/10 mm. Das ist gleichmäßig per Hand nicht mehr erreichbar. Ein cleverer Kopf in England hat dazu nun folgendes, sehr gute Hilfsmittel entwickelt, die „Schildkröte".
Die Schildkröte ist eine Schablone, die aus einer langen Tragflügelrippe besteht, an deren Seiten breit und vollständig auslaufende Auflagen angebracht sind. Sieht aus wie ein Brett mit kleinem, aber feinem Buckel.
Dieser Buckel bringt uns dann das gewünschte Profil ins Segel; wenn man eine Segelbahn bis zur gewölbten Mitte anlegt, fixiert, mit einem doppelseitigen schmalen Klebestreifen versieht und dann ganz einfach die folgende Bahn sanft, ruhig und ohne Spannung darauflegt und von der Mitte beginnend sanft mit dem Fingernagel andrückt hat man - Schwupp - die Beule im Segel. So verfährt man nun mit allen Bahnen (im Allgemeinen reichen drei bis fünf aus). Ein erfolgreicher neuseeländischer Segler benutzt übrigens als Schablone einen ausrangierten Kotflügel eines W-Käfers . . .
Je mehr Bahnen man macht, umso tiefer wird das endgültige Profil des Segels, egal wie dick die Schablone profiliert ist. Selbige Schablone ist bei mir übrigens recht flach, auf 40 cm Länge etwa 1 cm hoch und läuft nach hinten gerade aus. Sie ist aus einem entsprechend großen Brett Schiffssperrholz, das per Band- und Handschleiferei in Form gebracht wurde, und ist bisher bei fast allen meinen Segeln, egal ob nun flache Sturmsegel oder bauchige Leichtwettersegel, verwendet worden. Die 1/3-Stelle mit der höchsten Profilstelle ist mit Stift markiert. Die einzelnen Bahnen sind vor dem Verkleben noch nicht exakt in ihren späteren Umrissen zugeschnitten, sondern haben zu den Seiten, (Vor- und Achterliek) noch Überstand. Nur die Nahtkanten sind schon sauber geschnitten und mit einer Markierung für die 1/3-Stellen versehen. Das geht am leichtesten, wenn man den Segelriss 1 :1 auf Papier (z. B. alte, glatte Tapete) mit einer glatten Unterlage (Brett) zeichnet, zuerst die Umrisse und dann, wenn man so schon ein „Bild" vor Augen hat, auch die Bahnen einzeichnet und das vordere Drittel (oder den gewünschten max. Profilpunkt) markiert. Das Segelmaterial wird dann auf dem Papier mit einem scharfen Messer entsprechend zugeschnitten.
Wenn alle Bahnen verklebt sind - als Klebestreifen eignet sich mit Abstand am besten Tesa-fix Nr. 4959 (erhältlich u.a. bei der SASCHA-Werft) -, wird das Ganze wieder auf die Papierzeichnung gelegt. Bevor nun die endgültigen Umrisse ausgeschnitten werden, bedarf das Vorliek des Großsegels einer weiteren Behandlung, erst danach werden die: 1/4-Breitenmaße übertragen und das Achterliek entsprechend ausgeschnitten. Die meisten Masten stehen nicht ganz gerade, sondern sind meist mehr oder weniger stark durch die Verstagung (Achterstag/Vorstag = u. U. Hebelwirkung) gebogen. Schneidet man nun aber das Vorliek des Großsegels ganz gerade, so wird das Segel später am Mast angebracht garantiert Falten. Das Vorliek muss also eine über die ganze Länge verlaufende, gleichmäßige Rundung aufweisen, die etwas stärker ist, als der Mast später gebogen ist. Auch bei einem sicher geraden Mast arbeite ich stets eine leichte Kurve mit ein. Am einfachsten legt man dazu den vorgesehenen Mast auf den Segelzuschnitt, befestigt ihn mit Nägeln als Anschlag an den Enden am Brett und biegt ihn dann auf dem Zuschnitt so, wie er später vermutlich stehen wird. Dazu drückt man ihn am Anschlagpunkt der Fock leicht nach vorne (= Zugkraft der Fock). Man erhält so die individuelle, dem Mast entsprechende optimale Kurve. Hierbei ist etwas Experimentieren und Probieren nötig, denn wer weiß schon genau im Voraus die Mastbelastungen. Auch ich habe mich gleich bei allen drei Großsegeln der LAST MINUTE erstmal vertan, da ich stärkere Mastbiegungen annahm, als sie später dann der Fall waren. Somit fielen die Rundungen zu groß aus, wodurch sich im Segel dann Längsfalten bildeten, da das Zuviel an Stoff ins Segel eingedrückt wird. Da half nur ein erneutes, flacheres Zuschneiden der Vorlieken. Das Vorliek einer Fock kann auch leicht rund geschnitten werden (etwa 1-3 mm, je nach Länge), muss aber nicht.
Als Segelmaterial verwende ich gerne die Polyesterzeichenfolie aus dem Architektenbedarf. Es gibt sie in drei Stärken, 0,1, 0,07 und 0,05 mm dick, was auch fast ihrem Gewicht pro m² entspricht.
Das dünnste Material ist für eine E-Yacht am besten geeignet. Die Foliensegel sind sehr preiswert und brauchen nicht mehr genäht zu werden, da die Klebekraft des Tesa-Klebefilms völlig ausreichend ist. Aber nur Tesa hält, was es verspricht, andere dünne Klebefilme, z.B. von 3M oder Lohmann, kann man vergessen, da sich mit ihnen geklebte Bahnen nach einer Weile wieder auseinander ziehen.
Wie man auf den Fotos aber sehen kann, habe ich für das Leichtwettersegel ein anderes Material verwendet. Es handelt sich hierbei um ein sehr dünnes, etwa 50 g schweres, weiches Spinnaker-Mylar, das ich in Osterreich beim Segelmacher Raudaschl bekommen habe. Es ist weicher/geschmeidiger, als die manchmal etwas steife Zeichenfolie und daher für wenig Wind etwas besser, damit das Segelprofil auch bei den kleinsten Windhauchen umschlägt. Eigentlich soll dieses Material auch zugfest sein, zumindest in Richtung der eingearbeiteten Verstärkungsfäden. Ähnliche Folien, die ich vorher hatte, waren das auch, diese aber nicht, wie ich ziemlich sauer nach fertigem Zuschnitt beider Segel bei der ersten Zugprobe feststellte: Sowie man das Segel etwas spannte, gab es gleich hässliche Falten in Kraftrichtung.
Hitzköpfig, wie ich häufig sein kann, wollte ich die Dinger schon zerknüllt wegschmeißen, besann mich u. a. nach knirschendem „Bis-10-Zählen" aber noch rechtzeitig auf ein Experiment. Entlang der Kraftlinien im Segel wurden aus selbstklebenden, schmalen Kevlarstreifen Verstärkungen aufgeklebt, wie das z. B. auch bei den heutigen modernen Regattasegeln der großen Yachten im Prinzip der Fall ist. Das war zwar eine recht zeitaufwendige Sache, aber ich war gespannt auf das Ergebnis. Selbiges fiel dann recht positiv aus. die Dinger hatten damit tatsächlich den gewünschten Stand und die Festigkeit erhalten und sahen auch noch recht interessant aus. Manche dachten anfangs, die Segel wären aus lauter kleinen Stücken zusammengesetzt, wie ich das bei der WM 88 in Berlin auch einmal gesehen hatte. Aber so verrückt bin ich doch (noch) nicht. Wie lange diese Segel allerdings halten werden, ist noch ungewiss, da sie mit Sicherheit nicht so stabil wie ein dünnes Zeichenfoliensegel sind.
Alle Segel haben am Vorliek einen 8-10 mm breiten Verstärkungsstreifen, entweder aus Folie oder Kevlartuch. Zusätzlich sind etwa alle 12 cm kleine viereckige Verstärkungen für die Ringe (Mastbefestigung) aufgeklebt. Die Bohrungen für die Ringe sind mit einer kleinen Lötkolbenspitze eingeschmolzen. Als Großsegelbefestigung am Mast dienen Ringe aus dünner Nylonschnur. Die Segel sind so nicht ohne Aufwand vom Mast trennbar, aber ich transportiere die Riggs auf einem speziellen Holzgestell, so dass das nicht hinderlich ist. Da der Mast der BUMERANG teilbar ist, kann ich hier allerdings die Segel doch abziehen, ohne die Ringe aufzuschneiden.
Wichtig ist es, dass die Ringe nicht zu fest, aber auch nicht zu lose ausfallen. Wenn man das Großsegel seitlich vom Mast wegzieht, sollte ein Spalt von 1-2 mm zwischen Mastkante und Vorliek entstehen. Eine weitere Probe: Mast mit Segel waagerecht halten und drehen. Bleibt das Großsegel ruhig hängen - O. K.
Damit auch hierbei ein möglichst leichtes Bewegen des Großsegels möglich ist, müssen die Befestigungsösen o.ä. für den Segelkopf und -hals sehr nahe an der Mastkante (= Drehachse) verlaufen. Auf gar keinen Fall, wie beim Prospektbild der MIRAMARE der Fall, sollte man das Großfall mit 1 cm Abstand zur Mastkante im Mastkopf einhängen. Der Segelkopf wird so nur schwer aus der Mittellage abweichen wollen, z. B. bei Kurs vorm Wind.
Manch ein Experte benutzt für eine einwandfreie Befestigung und einen absolut leichtgängigen Drehverlauf des Segels um den Mast auch Kugellager im Topp sowie beim Großbaumbeschlag. Es hat sich aber gezeigt. dass dieser Aufwand nicht unbedingt nötig ist.
Übrigens bekommt man bei der SASCHA-Werft alle Materialien, die zur Segelherstellung derzeit gängig sind, sowie auch fertige Segel nach individuellen Maßen von hoher Qualität. Manch ein MIRAMARE-Eigner hat seine Bausatzsegel schon gegen Saschasegel umgetauscht, und sein Boot läuft jetzt deutlich besser. Die Originalsegel der MIRAMARE sind zwar für eine Bausatzyacht - im Vergleich zu anderen ,,Brettern" - sehr gut, modern und sehr aufwendig, aber leider trotzdem nicht so optimal, wie sie es eigentlich bei gleichem Aufwand/Preis hätten sein können. Das Material ist zu dick (0,07 mm) und das Profil zu tief. Beides führt dazu, dass das Segel bei wenig Wind, wofür es aufgrund der Riggabmessungen hauptsächlich gedacht sein wird, viel zu steif ist. Bei Graupner will man jetzt versuchen, das in Zukunft noch zu ändern, was natürlich u.a. aufgrund bereits vorhandener Sätze in der Lagerhaltung noch dauern wird.