Vergleichende Erfahrungen mit den Eisseglern BOREAS und BURAN
In SchiffsModell 3/98 wurde über den Bau und erste Betriebserfahrungen von Modell-Eisseglern berichtet. Die kurze Eissaison ließ damals leider keine ausführliche vergleichende Erprobung für die beiden Varianten BOREAS mit Swing-Rig und BURAN mit Starrsegel zu (Bild 1). Die nachstehenden Ergebnisse des Folgewinters sollen Anregungen für das weitere Experimentieren mit eigenen Modellen geben. Das Hauptergebnis der weiteren Erprobungen: Es bleibt alles anders ...
Bei der gewählten Geometrie und Mastposition läuft der Segelschlitten der im Märzheft geschilderten Anordnung am besten mit umgedrehter Takelung (Fahrtrichtung), d.h. der Kufenbalken liegt in Fahrtrichtung vorne, alle drei Kufen sind folglich umgedreht (siehe Bild 2). Der Lateralschwerpunkt liegt nunmehr günstiger in bezug auf die Kufen, das Kurvenverhalten wird auf diese Weise besser. Der Ballast muss für diese Anordnung aber vor das Ruderservo verlegt werden. Bezüglich der Kentersicherheit konnte kein Unterschied beobachtet werden.
Verbesserungen am Starrsegel
Wahrend der Erprobung des Starrsegels in der ersten Saison entstand die Überlegung, das Fahrverhalten insbesondere während der Startphase durch eine automatisch gesteuerte Wölbklappe zu verbessern (Bild 3). An den beiden unteren Segelteilen wurde an der Hinterkante ein ca. 70 mm breiter Streifen abgetrennt und die Schnittfläche an beiden Teilen mit dachförmigen Leisten beklebt (Bild 4). Als Scharnier zur Verbindung beider Teile wurden jeweils zwei Stoffstreifen (5) mit einer Mittelnaht (6) versehen und aufgeklebt. Eine Verbindung mit zwei Einzelscharnieren würde einen unerwünschten Spalt belassen. Der mögliche Klappenausschlag sollte etwa 30 Grad erreichen. Die notwendige Mechanik der automatischen Klappensteuerung ist in Bild 4 dargestellt. Neben dem Mastfuß (1) wird eine Achse aus 3-mm-Rundmaterial eingesetzt, die an ihrem Ende kurz unter dem Starrsegel mit einem etwa 10 mm langen M3-Gewinde versehen ist.
Zwischen zwei Muttern wird an diesem Drehpunkt die Schubstange (3) befestigt (Fahrradspeiche). Das Ruderhorn (7) aus Alublech ist an der Unterseite der Klappe angeschraubt. Die Anlenkung der Klappe des darüber liegenden mittleren Segelteils erfolgt durch einen Stift der in eine Bohrung oben in der unteren Klappe eingreift. Dreht sich das Starrsegel, egal nach welcher Seite, so bewirkt die Schubstange proportional zum Segelausschlag eine zunehmende Klappenauslenkung und damit größeren Vortrieb des Segels. Bei hohen Geschwindigkeiten ist das Segel dichtgeholt und die Klappe hat nur noch geringen Ausschlag, d.h. geringeren Widerstand. Das Hebelverhältnis der Anlenkung sollte anfangs etwa 1:1,5 betragen und dann individuell angepasst werden.
Fahrvergleiche
Die Vergleichsfahrten erfolgten bei gleicher Segelfläche von 0,6 m² , d.h. das Starrsegel hatte seine ursprüngliche Profilbreite von 400 mm und besaß eine Wölbklappe. Die beiden Segelvarianten zeigten bei unterschiedlichen Windverhältnissen ein merklich abweichendes Verhalten. Bei schwachem Wind war das Swing-Rig dem Starrsegel eindeutig überlegen. Das lag nur wenig an der größeren Masse des Starrsegels von 1300 g gegenüber den 650 g des Swing-Rigs, sondern hauptsächlich an dem wirksamen Spalteffekt des letzteren. Blieb das Starrsegel nach dem Anstoß schon nach einigen Meiern stehen, so lief das Swing-Rig zügig davon.
Mit zunehmendem Wind glich sich dieser Unterschied aus, und bei starkem Wind war dann das Starrsegel im Vorteil. Mit ihm konnten Kurse hoch am Wind gefahren werden, die das Swing-Rig nicht mehr erreichte. Auch eine Segelspaltverkleinerung und ein zusätzliches Abfangen der Fock in halber Höhe konnten den Unterschied nicht ausgleichen. Bei etwa Windstärke 5 war das Swing-Rig nicht mehr einsetzbar, während die Sturmvariante des BURAN ohne das herausgenommene Mittelstück des Starrsegels wie ein Kobold über das Eis flog.
Auch mit diesem auf 0,36 m² verkleinerten Segel hob häufig die luvseitige Kufe ab, und es bestand Kentergefahr.
Bei hohen Geschwindigkeiten wirken sich kleine Unebenheiten im Eis negativ auf das Fahrverhalten aus, trotz Ballast verloren die Kufen dann plötzlich die Eishaftung, und das ganze Gerät rutschte ungesteuert seitlich weg. Dieser Effekt ließe sich wahrscheinlich durch den Einsatz einer gefederten Kufenhalterung verringern . Als einfachste Lösung bietet sich dafür das Anbringen von Blattfedern (alte Sägeblätter) mit 80 bis 100 mm freier Länge am entsprechend gekürzten Kufenbalken an. Das Segeln bei hohen Geschwindigkeiten ist ziemlich hektisch, und Kurven sollten mit größerem Radius gefahren werden. Das gilt besonders für solche in großer Entfernung, denn sehr schnell kann es einen "Ringelpiez" geben, der Segler bleibt dann mit killenden Segeln angefroren stehen. Viel Spaß beim weiten Zu-Fuß-Schlittern über das Eis gegen den eisigen Wind!
Und noch ein ärgerlicher Nebeneffekt musste erkannt werden: Das Rattern der Kufen bei hohen Geschwindigkeiten und das vorgenannte Killen der Segel führten mehrmals zum Verlust von Schraubverbindungen am Kufenträger und an der Takelage. Diese Stellen sind unbedingt zu sichern (z.B. mit Kraftkleber), trotzdem sollte man genügend Ersatz bei sich haben.
Das Starrsegel auf dem Wasser
Nach den positiven Erfahrungen mit dem Eissegler reizte es natürlich, den Vergleich auf dem Wasser zu wiederholen. Infolge des hohen Segelschwerpunktes und der größeren Masse des Starrsegels kam aus Gründen der Kentersicherheit dafür nur ein Trimaran in Frage. Das Starrsegel ließ sich auch hier sehr gut hoch am Wind fahren.
Da infolge der geringeren Geschwindigkeit auf dem Wasser der scheinbare Wind wesentlich geringer ist als beim Eissegler, werden die möglichen Vorteile des Starrsegels aber nicht wirksam.
Auf einer Yacht wirkt das Starrsegel außerdem sehr exotisch, der ästhetische Eindruck einer Normalbesegelung ist daher vorzuziehen.
Original erschienen in der Zeitschrift Schiffsmodell des Neckar-Verlags 11/1998 Autor:Klaus Neumann. Sollten hiermit irgendwelche Rechte verletzt werden bitte melden. Ich werde dann den Artikel sofort entfernen.