RC-Segeln

Deutsche Klassenvereinigung und Ausschuss RC-Segeln

Die WM der 10-Rater in Goeteborg hat neben anderem mit Sicherheit zwei Erkenntnisse gebracht: erstens ist es vollkommen unklar, in welche Richtung die weitere Entwicklung dieser Klasse gehen wird, und zweitens, man kann mit Modellsegelyachten bei Seegangs- und Windbedingungen segeln, bei denen einige Großsegler im angrenzenden Hafen sich als „eingeweht" bezeichneten und somit lieber im Hafen blieben.

Rumpf- und Kielkonstruktion

Am Beispiel des Welt- und Vizeweltmeisters möchte ich erläutern, welche zwei grundlegend unterschiedliche Konstruktionsmöglichkeiten - beide durchaus erfolgreich - diese Klasse bietet.

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Die Vermessungsformel für 10-Rater lautet: Rennwert = Segelfläche x Ladewasserlinienlänge : 122903

Aus dem Produkt von Segelfläche und Ladewasserlinienlänge ergibt sich, daß man grundsätzlich zwei Möglichkeiten hat: Entweder eine große Segelfläche mit entsprechend kleiner Wasserlinienlänge oder eine große Wasserlinienlänge mit kleinerer Segelfläche. Als Schiffe mit kleiner Wasserlinienlänge kann man solche mit einer Länge unterhalb von 130 cm bezeichnen, als Schiffe mit großer Wasserlinienlänge solche mit einer Länge von 135 cm und darüber.
Der amtierende Weltmeister Janusz Walicki segelt ein Schiff mit einer WasserlinienIänge von 136 Cm. Es handelt sich um ein von ihm selbst entwickeltes Schiff, das aus seinem M-Boot SKALPEL hervorgegangen ist. Das eindeutig rundspantige Schiff hat eine Länge ü. a. von 140 cm und wiegt insgesamt 5700 g, bei einem reinen Bleianteil von 4250 g. Der prozentuale Ballastanteil beträgt damit 74.6 %!

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Die Länge der Kielflosse beträgt ca. 40 cm. Wie bei allen Walicki-Schiffen ist die Kielflosse im Bereich des Rumpfabschlusses verjüngt, d.h. die Profiltiefe ist in diesem Bereich reduziert. Diese Art der Konstruktion findet man mittlerweile bei vielen Modellyachten, von den jeweiligen Konstrukteuren meistens kritiklos übernommen. Bisher kenne ich jedoch keine wirklich plausible Erklärung, daß diese Konstruktion bei den großen Streckungsverhältnissen (Kielfläche : Profiltiefe²) unserer Modellyachtkiele Vorteile hat.

Besonders erwähnenswert ist noch der ausgesprochen niedrige Freibord des Schiffes. Dieser niedrige Freibord, der zum Bug hin eher kleiner als größer wird, hat nach Ansicht von Walicki wesentliche Vorteile auf Am-Wind-Kursen, da der Windwiderstand des Rumpfes reduziert wird und die Yacht damit mehr Höhe läuft. Die größte Breite des Rumpfes liegt etwa bei 60-65 % von vorne.
Der Vizeweltmeister Peter Ebel segelt einen KARNEOL, entworfen vom Verfasser dieses Artikels und gebaut von Gerhard Schmitt, der selber mit einem Rumpf von Helmut Lupart an den Start ging und damit einen hervorragenden vierten Platz belegte. Die Wasserlinienlänge des KARNEOL von Peter Ebel beträgt 130 cm bei einem Gesamtgewicht von 7450 g. Das Bleigewicht beträgt 4650 g, womit sich ein prozentualer Ballastanteil von nur 62,4 % ergibt. Die Yacht hat ein rundspantiges Vorschiff, einen Trapezspant als Hauptspant bei ca. 60 % von vorne und ein U-förmiges Achterschiff mit vollkommen ebenem Bodenbereich. Die Länge über alles beträgt 148 cm, allerdings ist der Rumpf damit gegenüber dem Original-KARNEOL um 7cm (Bugbereich) gekürzt. Die Freibordhöhe ist ebenfalls um ca. 2 cm gekürzt, zum Bedauern von Peter Ebel, der gerade in Goeteborg gerne mehr Freibord gehabt hätte.
In diesem Zusammenhang möchte ich doch die Gewichte meines KARNEOL angeben (8. Platz in Goeteborg), da der Rumpf von Peter Ebel ein relativ schwerer Glasfaser-Rumpf ist und H. Piel mittlerweile nur noch den wesentlich leichteren Kohle-Kevlar-Rumpf liefert
Das Gesamtgewicht beträgt bei mir 6850 g, bei 5000 g reinem Blei, damit ergibt sich ein Ballastanteil von 73 %. Die Kielflossenlänge beträgt beim Vizeweltmeister 41 cm. Im Bereich des Rumpfanschlusses ist die Kielflosse  interessanterweise genau umgekehrt konstruiert wie bei Janusz Walicki. Die Profiltiefe am Rumpf ist größer als im sonstigen Bereich der Flosse. Der Grund für diese Maßnahme liegt in der besseren Einleitung von Flossenkräften in den Rumpf, z. B. bei Grundkontakten.
Vergleicht man beide Konstruktionen und hört dazu einmal die Meinung der beiden Segler, dann ist jeder von der Geschwindigkeit seines Schiffes überzeugt. Peter Ebel räumte allerdings gewisse Probleme auf Vor-Wind-Kurs ein (Tauchen des Vorschiffs), bei meinem KARNEOL trat dies aufgrund des höheren Ballastanteils nicht auf.
Überhaupt kann man sagen, daß eine Erhöhung der Längsstabilität durch mehr Blei das leidige Tauchen von Modellyachten fast vollkommen beseitigen kann, vorausgesetzt, man segelt nicht vollkommen übertakelt. Beide Yachten kamen mit dem starken Seegang sehr gut zurecht. Insbesondere von Walicki wurde zu Beginn der Regatta die Erwartung geäußert, daß lange und schmale Schiffe mit V-förmigen Spanten im Vorschiff bei dem starken Seegang bevorteilt wären. Allen Gardner (Platz 5) aus Kanada segelte solch ein Schiff von ca. 160 cm Länge bei 127 cm Wasserlinienlänge. Der Verlauf der Regatta zeigte dann jedoch, daß die erwähnten Schiffe keinesfalls Vorteile hatten. Der Grund ist ganz einfach darin zu sehen, daß bei starkem Seegang eben meist auch ein starker Wind herrscht, der soviel Kraft liefert, daß die Schiffe sozusagen über die Wellen geschoben werden und weniger die Wellen durchschneiden. Daraus folgt logischerweise, daß man sogar eher ein fülliges Vorschiff haben sollte, wie bei den ersten vier Yachten der WM, da ein solches Vorschiff deutlich mehr dynamischen Auftrieb erzeugt. An sonstigen Rumpfkonstruktionen unter den ersten 10 seien noch die Lupart-Rümpfe erwähnt, gesegelt von Gerhard Schmitt (Platz 4) und Helmut Lupart (Platz 9). Der Rumpf von Gerhard Schmitt hat etwa ähnliche Gewichtsverhältnisse wie der von mir gesegelte KARNEOL, besitzt aber einen wesentlich rundspantigeren Rumpf und eine geringere Gesamtlänge (Wasserlinie 128 cm). Das Schiff von Helmut Lupart ist um einiges schwerer, vor allen Dingen aufgrund des relativ schweren Mastes. Bezeichnenderweise gewann Lupart den letzten Lauf der WM mit relativ wenig Wind knapp vor Walicki, womit wieder einmal bestätigt wurde, daß bei leichtem Wind nicht in erster Linie das Gewicht, sondern eine gute Riggkonstruktion mit hervorragenden Segeln und gut funktionierende Beschläge entscheidend sind.

Riggkonstruktion

Auch bei der Konstruktion des Riggs unterscheiden sich die Boote von Welt- und Vizeweltmeister erheblich. Walicki segelt ein Rigg mit drehbarem Mast und zusätzlichem Herndsegel. Diese Konstruktion ist aerodynamisch sicherlich die beste Möglichkeit und bei sauberer Ausführung allen anderen Konstruktionen mehr oder weniger stark überlegen. Aus theoretischer Sicht würde man als zweitbeste Lösung einen drehbaren Mast ohne Hemdsegel ansehen. Peter Ebel segelte die vielleicht drittbeste Lösung, d. h. einen Rundmast mit Befestigung des Großsegels an Ringen.

Der in unübertroffener Qualität in einer Metallform gefertigte Mast von Walicki wiegt zwischen 160 und 170 g, besteht aus Kohlefaser und ist konisch. Eine Keep ist ebenfalls vorgesehen, diese wird aber bei Hemdsegeln nicht benötigt.
Der Mast von Peter Ebel ist ein konischer Kohlefaserrundmast von 120 g Gewicht. Der durch den Mast vorhandene Gewichtsvorteil von Peter Ebel wird durch den verwendeten Segelstoff jedoch wieder ausgeglichen. Ebel verwendet ein relativ schweres Dacron, während Walicki leichtere 0,07-mm-Polyester-Zeichenfolie verwendet. Die Segel beider Kontrahenten waren mit sehr flachem Profil geschnitten, was sich gerade bei dem starken Wind in Goeteborg als sehr vorteilhaft erwies. Aus dem Rennwert ergibt sich für das Boot von Walicki eine maximale Segelfläche von 9036 cm² und für das von Peter Ebel eine von 9380 cm² bei dem erwähnten starken Wind wurden allerdings fast immer kleinere Riggs gesegelt, deren Fläche ausschließlich durch die Segeltragfähigkeit der Schiffe bestimmt wurde. Daraus kann man folgern, daß letztlich die Segelfläche gar nicht so entscheidend ist, solange bei relativ starkem Wind gesegelt wird. Erst bei leichtem Wind wächst die Bedeutung der maximalen Segelfläche.

Peter Ebel hat in Goeteborg sicherlich sehr davon profitiert, daß er meist die richtige Riggauswahl traf. Bei den oft sehr schwer abzuschätzenden Windgeschwindigkeiten, die auch noch dauernd wechselten, kam diesem Faktor eine entscheidende Bedeutung zu. Dabei hat sich auch herausgestellt, daß man am besten vier oder gar fünf verschiedene Riggs an den Start bringt, abgestuft in 20-cm-Schritten.

Von den anderen Teilnehmern sollte man unbedingt noch das mit durchgehenden Segellatten ausgerüstete Schiff des WM-Dritten Lars Andren erwähnen. Andren konnte unter allen Bedingungen sein Segelprofil optimal kontrollieren und je nach Windstärke sauber einstellen. Diese durch die 10-Rater-Regel erlaubte Möglichkeit der durchgehenden Segellatte wird jedoch noch viel zu wenig genutzt, sie bietet allerdings für die Zukunft noch große Entwicklungsmöglichkeiten.

Beschläge

Bei den Beschlägen gab es keine umwälzenden Neuerungen. Walicki segelte die schon von seinen M-Booten bekannten Konstruktionen mit Fock- und Großsegeltrimmung (siehe auch SM 11/87). Beides funktioniert so, daß zum einen das Segelprofil flacher gezogen werden kann und zum anderen gleichzeitig die Achterliekspannung erhöht wird. Die Verstellung des Segelanstellwinkels erfolgt zusammen für Fock und Groß über eine Winde. Peter Ebel hatte ursprünglich eine Focktrimmung vorgesehen, die sich aber während der Regatta zerlegte, so daß er die restliche Zeit nur mit den Minimalfunktionen Ruder und Winde segelte, wie im übrigen die meisten anderen Teilnehmer auch. Am Beispiel Peter Ebel ist zu sehen, daß dies eben auch sehr erfolgreich sein kann.

Bei den weiteren Teilnehmern waren keine Neuigkeiten bei den Beschlägen zu sehen. In der Regel wird eine Pendelfock gefahren, nur Helmut Lupart bildet hier mit seinem weithin bekannten Fockbeschlag noch eine Ausnahme. Sicherlich hat dieser Fockbeschlag gerade bei leichtem Wind einige Vorteile, wie bessere Trimmöglichkeit des Fockachterlieks, allerdings ist er wesentlich aufwendiger zu bauen und ein schneller Riggwechsel ist nicht so leicht möglich.

So viel zu den technischen Aspekten der aktuellen 10-Rater. Im Sommer 1988 werden in Berlin neben der WM der M-Boote auch wieder 10-Rater gesegelt, dort kann man sich dann sicherlich einige der erwähnten Schiffe ansehen.

logosmOriginal erschienen in der Zeitschrift Schiffsmodell  des Neckar-Verlags 2/1988 Autor: Gerd Mentges.
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